Es ist eine Erfahrungstatsache, dass bei Scheidung gerichtlicher Trennung der Ehe manchmal besonders erbittert über die Zuweisung der ehelichen Kinder gekämpft wird. Zuweilen geschieht dies aus Rechthaberei Prestigegründen, meist aber doch wohl (auch) aus echter Zuneigung zum Kind und in der Überzeugung, dessen Interessen zu wahren (Hinderling/Steck, Das schweizerische Ehescheidungsrecht, 4. Aufl., Zürich 1995, S. 404). Die Obhutszuteilung ehelicher Kinder ist jedoch nicht nur Streitpunkt im Ehescheidungsoder Ehetrennungsprozess, sondern auch im Prozess um die Abänderung von Ehescheidungsoder Ehetrennungsurteilen. Sie erhält zunehmend Bedeutung nicht nur im Hauptprozess, sondern auch im damit verbundenen Massnahmeverfahren und selbst im Eheschutzverfahren. Obwohl es dem Richter in den meisten Fällen gelingt, eine einvernehmliche zumindest akzeptierte Lösung zu finden, treten mitunter doch auch Situationen ein, in denen sich der betroffene Elternteil (und) das betroffene Kind dem richterlichen Zuweisungsentscheid offen widersetzen. In diesen Fällen stellt sich dann die heikle Frage der Vollstreckung des richterlichen Zuweisungsentscheides.
Vorauszuschicken ist, dass es dem Vollstreckungsrichter trotz der Rechtskraft des Entscheides über die Obhutszuweisung grundsätzlich nicht verwehrt ist, dessen Grundlagen zu überprüfen und die Vollstreckung zu verweigern, wenn sich die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Vollstreckung wesentlich anders präsentieren als im Zeitpunkt der Obhutszuweisung. Zur Abänderung des Zuweisungsentscheides ist er indessen nicht befugt (vgl. LGVE 1995 I Nr. 41; ZR 94 [1993] 11; AGVE 1990 76 ff.; LGVE 1987 I Nr.4 mit Verweis auf BGE 111 II 313 ff.). Heisst der Vollstreckungsrichter das Vollstreckungsbegehren gut, so ist Folgendes zu beachten:
1. Die luzernische Zivilprozessordnung bestimmt, dass der Vollstreckungsrichter in diesen Fällen die Polizei beauftragen kann, den rechtskräftigen Zuweisungsentscheid mit Zwang durchzusetzen (§ 295 lit. b ZPO). Angesichts der grossen psychischen Belastung, welche die Zwangsvollstreckung für alle Beteiligten bedeutet, ist strikte nach dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit vorzugehen. Beim Entscheid ob und falls ja in welcher Form die Zwangsvollstreckung zu erfolgen hat muss stets das Kindeswohl im Vordergrund stehen. Der Vollstreckungsrichter wird sich in Beachtung dieser Grundsätze deshalb in aller Regel vorerst auf die Ausübung indirekten Zwangs beschränken, indem er dem widerspenstigen Elternteil die Ungehorsamsstrafe nach Art. 292 StGB androht und eine Vollstreckung durch direkten, unmittelbaren Zwang erst anordnet, wenn der indirekte Zwang versagt hat. Selbst bei der Wirkungslosigkeit des indirekten Zwangs ist er angesichts des Ermessensspielraumes, der ihm als Vollstreckungsrichter zusteht, nicht zur Anordnung von weitergehenden Zwangsmassnahmen verpflichtet (vgl. Bühler/Edelmann/Killer, Kommentar zur Aargauischen Zivilprozessordnung vom 18.12.1984, 2.Aufl., Aarau/Frankfurt a.Main/Salzburg 1998, N 3 zu § 425).
2. Die Anwendung von unmittelbarem Zwang ist allerdings dann unvermeidbar, wenn das Wohl des betroffenen Kindes durch dessen Verbleib im Einflussbereich des widerspenstigen Elternteils ernsthaft gefährdet wäre. Dies trifft beispielsweise zu, wenn dieser Elternteil psychisch angeschlagen suchtkrank ist, wenn er Anstalten trifft, durch Entführung des Kindes die richterliche Obhutszuweisung zu verunmöglichen wenn er das Kind entgegen dessen erkennbaren Willen dem obhutsberechtigten Elternteil vorenthält (siehe auch Leuenberger/Uffer-Tobler, Kommentar zur Zivilprozessordnung des Kantons St.Gallen, Bern 1999, N 4a zu Art. 299 mit Hinweis auf Bühler/Spühler, Ergänzungsband, N 354 zu Art. 156 ZGB). In diesen Fällen wird der Beizug der Polizei im Interesse einer raschen und wirksamen Vollstreckung der richterlichen Obhutszuweisung regelmässig geboten sein.
3. Die Polizei ist von Gesetzes wegen verpflichtet, den Justizbehörden Amtsund Vollzugshilfe zu leisten, wobei sie gesetzeskonform und verhältnismässig vorzugehen hat (§ 1 Abs. 2 lit. d und § 5 des Gesetzes über die Kantonspolizei vom 27.1.1998, SRL Nr. 350). Dabei liegt es nicht in ihrer Kompetenz, die Richtigkeit und Angemessenheit der richterlichen Obhutszuteilung sowie des richterlichen Vollstreckungsbefehls zu überprüfen. Anderseits ist zu beachten, dass die Polizei sich darauf beschränkt, die notwendige physische Gewalt bloss gegenüber demjenigen anzuwenden, der die gewaltsame Entfernung des betroffenen Kindes aus dem Einflussbereich des widerspenstigen Elternteils zu stören versucht. Soll physische Gewalt auch gegenüber dem betroffenen Kind angewendet werden müssen, so bedarf es dazu eines klaren schriftlichen Befehls des Vollstreckungsrichters an die Polizei. Denn Kompetenz und Verantwortung für den Vollstreckungsbefehl liegen allein beim Vollstreckungsrichter; die Polizei ist einzig für die Durchführung der Vollstreckung zuständig und verantwortlich.